Friedensnobelpreis 1984: Desmond Mpilo Tutu

Friedensnobelpreis 1984: Desmond Mpilo Tutu
Friedensnobelpreis 1984: Desmond Mpilo Tutu
 
Der südafrikanische Geistliche und Bürgerrechtler wurde für seinen mit friedlichen Mitteln geführten Kampf gegen die Apartheidpolitik in seinem Land ausgezeichnet.
 
 
Desmond Mpilo Tutu, * Klerksdorp (Transvaal) 7. 10. 1931; 1961 Weihe zum anglikanischen Priester, 1976 Bischof von Lesotho, 1979 Generalsekretär des südafrikanischen Kirchenrats, 1985 Bischof von Johannesburg, 1986 Erzbischof von Kapstadt und Oberhaupt der anglikanischen Kirche in Südafrika, 1987 Vorsitzender der Allafrikanischen Kirchenkonferenz, 1995-98 Vorsitzender der Wahrheitskommission in Südafrika.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Seine Visionen, sein Mut, sein Kampfgeist und seine Friedensliebe haben den Geistlichen Desmond Tutu zu einem der prominentesten Kämpfer gegen das Apartheidregime in seiner Heimat werden lassen. Als es in Südafrika in den 1970er-Jahren immer häufiger zu Protesten gegen die weiße Apartheidpolitik kommt, die regelmäßig von staatlicher Seite blutig niedergeschlagen werden, macht sich der wortgewandte, charismatische Kirchenmann zum Sprachrohr der diskriminierten schwarzen Bevölkerung. Unermüdlich brandmarkt er die Rassentrennung als unchristlich, verurteilt öffentlich Unterdrückung und Ungerechtigkeit durch die weiße Minderheit und macht sich damit für die südafrikanische Regierung zum »Staatsfeind Nummer eins«. Doch trotz harter Worte setzt er sich immer weiter für gewaltlose Proteste und einen friedlichen Wandel in der südafrikanischen Gesellschaft ein. Und allen Unkenrufen zum Trotz geht sein Traum von der Abschaffung der Apartheid 1994 mit der Einführung einer neuen Verfassung in Erfüllung.
 
 Die Politik der Apartheid
 
Als Desmond Tutu 1931 in Klerksdorp, einer Goldminenstadt westlich von Johannisburg, geboren wird, gehört er als Schwarzer zum benachteiligten Teil der südafrikanischen Gesellschaft. Und mit dem Wahlsieg der rechten Nationalpartei in den Parlamentswahlen 1948 verschlechtern sich ihre Lebensbedingungen noch einmal deutlich. Die Apartheid wird eingeführt — die bis dahin gesellschaftlich praktizierte Rassentrennung wird gesetzlich festgeschrieben: Mischehen zwischen Schwarzen und Weißen werden verboten. Jeder Südafrikaner wird einer Rasse zugeordnet und einem bestimmten Wohnort zugewiesen. Für die Schwarzen werden so genannte Homelands eingerichtet, in die sie zwangsweise umgesiedelt werden und die sie nur mit Genehmigung verlassen dürfen. So werden sie zu Ausländern im eigenen Land. Sie haben keinerlei Bürgerrechte.
 
So wächst Desmond Tutu in einem Land auf, in dem »Recht und Moral vom institutionalisierten Rassismus durchdrungen sind«. Auch er kann nur eine der minderwertigen Bantuschulen besuchen, würde danach gern Medizin studieren, aber dafür reicht das Geld nicht. So wird er wie sein Vater Lehrer und unterrichtet einige Jahre an Oberschulen für Schwarze. In dieser Zeit reift in ihm der Entschluss, Geistlicher zu werden. 1958 beginnt er ein Theologiestudium und wird 1961 zum anglikanischen Priester geweiht. Für ein Magisterstudium geht Desmond Tutu mit seiner Familie 1962-67 nach Großbritannien. Dort kann er ein Leben ohne die Beschränkungen der Apartheid führen und erlangt dabei das Selbstvertrauen, gegenüber Weißen eine eigene Meinung zu vertreten.
 
 Erster schwarzer Bischof Südafrikas
 
Nach mehreren Jahren Lehrtätigkeit als Theologiedozent an verschiedenen Hochschulen im südlichen Afrika wird Desmond Tutu 1975 zum anglikanischen Dekan von Johannesburg ernannt. Er ist der erste Schwarze in dieser Position, und auch danach wird er noch mehrere Ämter bekleiden, die vor ihm den Weißen vorbehalten waren: 1978 wird er Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrats, 1985 Bischof von Johannesburg, und mit seiner Ernennung zum Erzbischof von Kapstadt wird er 1986 der erste schwarze Oberhirte der anglikanischen Kirche in Südafrika.
 
Doch Desmond Tutus außergewöhnliche Kirchenkarriere ist keineswegs typisch im Südafrika der 1970er- und 1980er-Jahre. Im Gegenteil, die schwarze Bevölkerung wird mehr denn je unterdrückt, und langsam beginnt sich Widerstand zu regen. Aber jeglicher Protest wird vom Apartheidregime mit eiserner Faust niedergeschlagen. So finden 1976 bei Studentenunruhen mindestens 250 Menschen den Tod. Angesichts der zunehmenden Gewalt meldet sich Tutu öffentlich zu Wort und warnt vor einer Eskalation der angespannten Lage, wenn nicht bald Schritte zur Abschaffung der Apartheid und zur Beendigung des Rassenkonflikts unternommen würden. Er fordert von der Regierung unter anderem gleiche Bürgerrechte für alle, ein gemeinsames Erziehungssystem und die Einstellung der Deportationen in die Homelands. Gleichzeitig appelliert er an alle Seiten — sowohl die weiße Polizei als auch seine schwarzen Mitbürger —, auf Gewalt zu verzichten und die Konflikte friedlich zu lösen. Doch blutige Auseinandersetzungen und Willkürakte der Behörden sind an der Tagesordnung.
 
Schließlich fordert Tutu öffentlich das Ausland auf, Südafrika durch Handelsbeschränkungen und reduzierte Investitionen zu boykottieren, was durch ein von der UN verkündetes Wirtschaftsembargo auch geschieht. Mit seinen deutlichen Worten macht sich Desmond Tutu die Verfechter der Apartheid zu Feinden, er wird bei Demonstrationen verhaftet und ihm wird der südafrikanische Pass entzogen. Doch er ist inzwischen prominent und kann deshalb gefahrloser als andere die Stimme erheben.
 
Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Bischof Tutu 1984 und die damit verbundene ausdrückliche Anerkennung südafrikanischer Anti-Apartheid-Gruppen erhöhen im In- und Ausland den Druck auf die südafrikanische Regierung, die Rassentrennung abzuschaffen und die Gleichberechtigung aller Bevölkerungsgruppen herbeizuführen.
 
1989 beginnen Tutus langjährige Bemühungen endlich Früchte zu tragen. Frederik de Klerk (Nobelpreis 1993) wird Präsident und leitet unter Vermittlung Tutus Gespräche mit der bis dahin verbotenen Schwarzenpartei ANC ein, die zur schrittweisen Abschaffung der Apartheidsgesetze führen. 1994 finden die ersten Parlamentswahlen statt, an denen auch Schwarze teilnehmen dürfen, und Nelson Mandela (1993) wird Staatspräsident.
 
Doch auch nach der politischen Wende arbeitet Desmond Tutu weiter daran, sein großes Ziel zu erreichen: eine demokratische und gerechte Gesellschaft ohne Rassentrennung, eine »Regenbogennation«, in der alle Hautfarben gleichberechtigt sind. Der Bischof, der durch seinen lebenslangen Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung ohne parteipolitische Ideologie in seiner Heimat zu einer moralischen Institution geworden ist, wird im Rahmen der Aussöhnungspolitik zum Vorsitzenden der so genannten Wahrheitskommission ernannt. Hier werden von 1995 bis 1998 von weißer wie von schwarzer Seite begangene Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen während des Apartheidregimes untersucht. Tutu ist entsetzt darüber, welche Verbrechen in der Kommission ans Tageslicht kommen, empfindet es aber als »Privileg«, in den »Heilungsprozess eines traumatisierten und verwundeten Volkes« miteinbezogen zu sein.
 
S. Straub

Universal-Lexikon. 2012.

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